HäRTEFALL IM DFB-TEAM DROHT: NAGELSMANN IST WEGEN PAVLOVIC VöLLIG AUS DEM HäUSCHEN

Die Fußball-EM ist vorbei, die Lust auf die Nationalmannschaft aber ungebrochen: Zum Auftakt der Saison in der Nations League begeistern die Männer von Julian Nagelsmann mit einem Torfestival gegen Ungarn. Der Coach gerät wegen mehrerer Spieler aus dem Häuschen.

Das muss man erstmal schaffen: Aleksandar Pavlovic hat gerade einmal 49 Minuten für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft absolviert und dabei den Bundestrainer bereits völlig verzaubert. Im Juni debütierte er kurz vor der EM für 19 Minuten gegen die Ukraine, danach meldete er sich gesundheitlich angeschlagen ab. Die entzündeten Mandeln setzten dem Youngster des FC Bayern so zu, dass er das Turnier im eigenen Land verpasste. Emre Can übernahm. Aber aus dem Sinn geriet der Mittelfeldspieler nicht. Im neuen DFB-Team hat er einen festen Platz sicher. Nur wie der künftig aussieht, ist längst nicht in Stein gemeißelt. Pavlovic droht zum Härtefall zu werden.

Was war die Sorge im Land groß gewesen, dass Deutschlands Fußballer nach dem Abgang von Toni Kroos erstmal führungslos durch die nächsten Spiele taumeln würden. Kroos, den erfolgreichsten Spieler, den es im Land je gab, könne man nicht einfach so ersetzen. So hieß es. Wie auch? Der Mann war schließlich über Jahre das Hirn der schwerst verwöhnten Königlichen von Real Madrid. Aber der Auftakt der Nations League am Samstagabend in Düsseldorf brachte eine überraschende Erkenntnis: Ohne Kroos spielt das Team dann eben Groß-artig, sprich: Es folgt nun dem Takt von Pascal Groß. Und das klappte beeindruckend gut: Mit 5:0 wurde Ungarn besiegt.

"Er macht auch Dinge ähnlich wie Toni"

Bundestrainer Nagelsmann war hernach auch schwer angetan davon, wie der Neu-Dortmunder, der über Jahre in der Premier League unter dem Radar der großen Öffentlichkeit gereift war, die Rolle als neuer Chef neben dem bereits etablierten Wadenbeißer Robert Andrich annahm. "Er macht auch Dinge ähnlich wie Toni. Er will den Ball in den Fuß haben, er hat den Blick für die Tiefe. Er hat es gut gemacht." Groß spielte kluge kurze Pässe, scheute aber auch den langen Ball nicht. Er tauchte vorne auf und ließ sich tief fallen. Für einen Mann, der so lange im Schatten stand, suchte er plötzlich auffällig oft das Sonnen-, pardon, das Rampenlicht.

60 Minuten orchestrierte er in Düsseldorf das deutsche Spiel. Dann hatte er Feierabend. Seine zaubernden Kollegen Florian Wirtz und Jamal Musiala hatten sich Augenblicke zuvor um das zweite Tor gekümmert. Wirtz spielte den perfekten Ball in den sehr, sehr freien Raum. Den lief Musiala mit großer Leidenschaft an, dann allen davon und versenkte das Spielgerät mit etwas Glück im Tor. Es waren wilde Minuten gewesen. Denn vor dem 2:0, das Ungarn schwer zusetzte, war das 1:1 nah gewesen. Andrich hatte im Mittelfeld erst gepennt, dann aber mit einer Monsteraktion den Einschlag in letzter Sekunde verhindert. Es war einer der wenigen Momente, in denen die DFB-Elf die Kontrolle verloren hatte. Aber dieses Spielglück hatte sich Deutschland immer mehr erarbeitet.

Nun ging also Groß und Pavlovic kam. 31 Minuten durfte er ran und ließ den Bundestrainer hernach völlig verzückt zurück. "Pavlo hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Er ist ein Spieler mit viel Mut und guten Ideen. Er verkörpert viel von dem, was ich auf der Sechs sehen will." Ballsicherheit, Spielintelligenz, Robustheit etwa.

Ein Münchner Duo für die Zukunft?

Stiller und Pavlovic, beide in München geboren, beide stammen aus der Bayern-Jugend, ein Linksfuß (Stiller) und ein Rechtsfuß (Pavlovic), Seite an Seite - das könnte die Zukunft sein. Bei der Weltmeisterschaft 2026 vielleicht schon? Ganz sicher aber danach. Groß, der neue Chef, ist dann schließlich schon 35 Jahre alt und plötzlich nicht mehr die Zukunft. Aber vorerst zurück in die Gegenwart, zurück zu Pavlovic: Der krönte seine Bewerbung um einen Stammplatz mit dem 4:0 gegen die überforderten Ungarn.

Der deutschen Nationalmannschaft droht ohne Kroos direkt ein Härtefall. Wer hätte das gedacht? Nagelsmann verfolgt ja seit Ende des vergangenen Jahres ein klares Rollenprinzip zwischen einem festen Stamm und mutigen Herausforderern. Möglich, dass Pavlović auch diesen Schritt schneller vollzieht als andere. Die Karriere des 20-Jährigen ist eine, die nicht im S-Bahn-Modus daherkommt, sondern auf einer ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke rast. In der vergangenen Saison rückte er beim FC Bayern schnell auf, dank des polarisierenden Trainers Thomas Tuchel. Der das Zentrum neu ordnete und Pavlović vertraute. Und ihn als Beweis gegen Uli Hoeneß anführen konnte, der dem tief verletzten Coach völlig überraschend mangelnde Bereitschaft zur Nachwuchsförderung vorwarf. Tuchel sah das anders. Vor allem wegen eben Pavlović. Was zulasten von Leon Goretzka ging. Nicht nur in München, sondern auch in der Nationalmannschaft, wo der langjährige Leistungsträger nicht mehr auftaucht.

Vor etwas mehr als einem Jahr war Pavlovic noch ein Oberligaspieler, mit einem Marktwert von 200.000 Euro. 13 Monate später ist er Stammspieler beim FC Bayern, das hat sich auch unter dem neuen Trainer Vincent Kompany nicht geändert, ist mittlerweile 30 Millionen schwer (Marktwert) und drängt in die erste Elf des DFB-Teams. Dafür hatte er sich erst im März dieses Jahres entschieden. Er hätte auch für Serbien spielen können. "Das war keine politische Nominierung", sagte der Bundestrainer im März, als er das Talent nach wenigen Bundesliga-Spielen zum ersten Mal berufen hatte. "Er hat zuletzt sehr gute Leistungen gezeigt, war sehr stabil, wollte jeden Ball haben." Aber es ist auch so: Der DFB hatte in der Vergangenheit einige Talente an andere Nationen verloren.

Noch mehr aktuelle Nachrichten finden Sie auf ntv.de

2024-09-09T09:28:59Z dg43tfdfdgfd